von Philipp Spillmann –
Was kann eine Videokamera in einem Serverraum in Changcheng? Und wie kann man aus ihren Aufnahmen einen Film für das VICE-Motherboard schneiden, der dem Thema Bitcoin Tiefgang gibt?
Ein sägendes Maschinengeräusch presst sich durch den Raum. Die Kamera hält auf den mit dicken Kabeln bedeckten Boden. Sie folgt den schweren Schläuchen, die sich in langen Bahnen durch die Halle ziehen. Ein Mann in schwarzem Anzug verrät, wo sie sich befindet: In Changcheng, einer der vermutlich grössten Bitcoin-Minen der Welt. Ein Serverraum im zweiten Stock eines Lagerhauses, irgendwo in Dalian, einer grossen Hafenstadt am ostchinesischen Meer.
Bitcoins sind eine Währung, die quasi digital vergraben ist und durch das Schaffen von Datenblöcken freigelegt werden kann. Im Prinzip kann jeder Rechner, der genügend Leistung aufbringen kann, als Bitcoin-Mine genutzt werden. Bitcoin-Minen wie Changcheng sind nichts anderes, als riesige Rechenanlagen, die diesen Vorgang industrialisieren. Minen ohne Geröll, ohne Erze, Russ und Schweiss. Die wenigsten dieser Minen sind bekannt. Meistens sind die genauen Standorte streng geheim. Wie auch im Fall von Changcheng. Mit einem Energieverbrauch von über 1200 Kilowattstunden werden hier monatlich mehrere hunderttausend Dollar umgesetzt.
Die Kurzreportage des Online-Magazins Motherboard, dem Technologie-Kanal des Medienunternehmens Vice, ist nicht besonders informativ. Zu sehen sind endlos verschlungene Kabel, lange Regalreihen voller Computer, Schutthaufen aus verheizter Hardware und einige wenige Angestellte, die in ihren Pausen Videospiele spielen.
Eine Idylle, von der man nicht weiss, ob sie von den Minenbesitzern inszeniert ist oder nicht. Über das Geschäft mit den Bitcoins erfährt man ebenso wenig, wie darüber, wie eine solche »Mine« funktioniert. Dafür ist die Reportage, wenn auch unabsichtlich, metaphorisch messerscharf: Sie verbildlicht das Unbehagen, welches das Schweigen der Apparate auslöst. Dem Fehlen von Information entspricht auf der visuellen Ebene ein Mangel an Sichtbarkeit, der der virtuellen Mine an sich schon eigen ist. Zu sehen ist die Abwesenheit einer richtigen Mine. Ein nicht lokalisierbarer Raum voller surrender Maschinen, die mit unsichtbaren Schaufeln unsichtbares Gold aus einem unsichtbaren Boden graben. Eine Schatzhöhle, die sich nicht mit Hammern, Bohrern oder Bomben öffnen lässt, sondern mit einem Befehl, der in die Rechner eigegeben wird. Ein digitales Losungswort, das die Tore zu einem virtuellen Schatz öffnet. »Sesam öffne dich« als binärer Code.
Dieser Beitrag ist ein Produkt von metareporter, einem Projekt des Magazins REPORTAGEN und der Plattform Kulturpublizistik. Die Autor/innen von metareporter sind Studierende des Master Kulturpublizistik der ZHdK.
Links zum Thema:
http://bit.ly/17TZmMs
http://www.finanzen.net/devisen/bitcoin-euro-kurs