Von Philipp Spillmann
Reportagen sind nicht nur Geschichten von Menschen, Konflikten oder Schauplätzen, sondern hintergründig immer auch geografische Portraits – sie berichten von den Orten, an denen sich die Geschichten zutrugen. Das NZZ-Dossier »Grenzen erzählen Geschichten« macht die Geografie zur Hauptdarstellerin.
Wer wissen will, warum Reportage im Kern immer etwas mit Grenzen und Landkarten zu tun hat, kann Tom Kummers im Magazin Reportagen erschienen Trip entlang des Grenzzaunes zwischen den USA und Mexiko lesen. Wer danach noch mehr Appetit auf Grenzgeschichten hat, kann gleich weiterklicken auf nzz.ch, genauer gesagt auf das im Sommer 2014 erschienene Web-Dossier »Grenzen erzählen Geschichten«. In fünf Teilen werden kurze Stories zu, von und über 32 ungewöhnliche Grenzen erzählt. Etwa darüber, warum die Grenze von Gambia nur so weit vom Fluss Gambie entfernt gezogen wurde, wie die Kanonen der englischen Schiffe im 17. Jahrhundert feuern konnten. Oder darüber, wie es kommt, dass eine deutsche Gemeinde eine Schweizer Postleitzahl hat.
Genauer gesagt handelt es sich aber nicht um fertige Geschichten, sondern um Sammlungen von den vielen kleinen und grossen Geschichten, die zu diesen Grenzen erzählt werden können – um Ultrakurzportraits von Grenzen. Die Texte beginnen jeweils mit einem Kartenausschnitt, auf dem das Besondere des Grenzgebiets gleich augenfällig wird. Sei das jetzt, weil die Grenzen fast verknotet sind wie bei Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan, oder weil sie sich, wie im Fall des südpatagonischen Eisfelds, ständig bewegt. Die Texte illustrieren die Kartenausschnitte mit kleinen Anekdoten, gewürzt mit bizarren Fakten und Details. Es geht um Grenzen, die früher wie heute einiges an Sprengstoff für Konflikte bieten.
Das Dossier zeigt: Grenzen mögen gedankliche Konstrukte sein, die von ihnen hervorgebrachte Realität ist es nicht.
Dieser Beitrag ist ein Produkt von metareporter, einem Projekt des Magazins REPORTAGEN und der Plattform Kulturpublizistik. Die Autor/innen von metareporter sind Studierende des Master Kulturpublizistik der ZHdK.