von Deborah Harzenmoser –
In der Kommunikations-Branche dreht sich momentan alles um einen grossen Trend: Visual Storytelling. Technisch geht es dabei nicht nur um das herkömmliche 2D-Video, das wir auf mobilen Endgeräten schnell und bequem herstellen und publizieren können. Spätestens seit HTC, Sony und Facebook letztes Jahr bekannt gaben, dass sie ihre eigenen Headset-Devices auf den Markt bringen wollen, sind auch Virtual Reality-Filme (VR) in aller Munde. Hier in New York, wo ich gerade einen Master in Media Studies absolviere, finden derzeit an jeder Ecke Symposien, Creative Labs und Panels statt, an denen sich ExpertInnen über Sinn, Chancen und Zukunftsfähigkeit dieser Bewegtbild-Formate austauschen. Einige davon habe ich besucht.
Was ist an diesem Trend dran?
Einig sind sich alle in diesem Punkt: Das Feld ist jung, viel sagen kann man über die Zukunftsfähigkeit dieser Technologie noch nicht. Wer sich seit zwei Jahren mit Virtual Reality beschäftigt, gilt in der Szene bereits als Experte. Und: Es brauche mehr Kreativ-Köpfe, um die Formate voranzutreiben. Der Aufruf, Teil der Community zu werden und gemeinsam „auszuprobieren und die Formate weiterzuentwickeln“ wird zum Beispiel am Immersive Storytelling Symposium an der The New School mehrfach wiederholt. Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: An Ideen und Visionen mangelt es nicht. Es hapert, wie so oft, an der Umsetzung. In diesem Fall an der Technik. Und zwar in zweierlei Hinsicht.
Einerseits ist der Aufwand für die Erstellung von VR-Filmen nach wie vor sehr hoch, die Produktion ist kompliziert und teuer. Andererseits, und das ist fast noch wichtiger, steckt die Technik auch auf Nutzerseite noch in den Kinderschuhen. Während herkömmliche Videos leicht zugänglich sind und auf Laptops und Smartphones jederzeit angeschaut werden können, braucht es für VR-Filme technische Hilfsmittel, wie sperrige Headsets oder gar Ganzkörperanzüge mit entsprechender Sensorik. Beides ist nicht einfach so mal zur Hand. Hindernisse also, die nicht zu unterschätzen sind, weder auf Produktions- noch auf Nutzerseite. Solange die Produktion von VR-Filmen so aufwändig und teuer bleibt, und der Konsum von VR-Filmen mit kostspieligen Investitionen in klobige technische Hilfsmittel einhergeht, wird sich der Trend kaum durchsetzen. Darin ist sich die Expertenrunde des Immsersive Storytelling-Symposiums trotz aller Euphorie einig. Erst wenn das Zusammenspiel von Produktion, Angebot und Rezeption ausbalanciert ist, hat Virtual Reality eine ernsthafte Chance auf dem Markt.
Zukunft ja, aber
Die Technik wird sich jedoch rasend schnell entwickeln. Bereits in fünf Jahren soll sie leichter zugänglich und einfacher zu bedienen sein. Was dann? Was kann VR für die Organisationskommunikation tun?
In einer kürzlich publizierten Studie von Forrester Research gaben nur 8% der US-amerikanischen Unternehmen an, VR im Marketing einsetzen zu wollen. Das liegt hauptsächlich an der ungenügenden Zugänglichkeit für Konsumenten. Die MarketingexpertInnen gehen nicht davon aus, dass sie ihre Zielgruppen mit VR wirklich erreichen: „A lot of brands have tried VR in the last year, and in many cases, it left marketers and consumers rather underwhelmed,“ lässt sich Samantha Merlivat, Analystin bei Forrester Research, zitieren. Das liege einerseits an der ungenügenden Zugänglichkeit von VR-Filmen, vor allem aber auch deren mässigen Qualität. Die oft verpixelten Filme erinnern zu sehr an Game-Welten aus den 90-ern und erlauben daher bei Weitem nicht das virtuelle Realitäts-Erlebnis, das es für einen Werbeeffekt bräuchte.
Momentan scheint sich eine Investition in VR-Produktionen also nur für Unternehmen zu lohnen, zu deren Zielgruppen „Early Adopters“ zählen, die VR regelmässig konsumieren. Oder für Organisationen, deren Kommunikationsinhalte sich besonders für VR-Videos eignen, zum Beispiel in Bereichen wie Tourismus oder Extrem-Sport. Prädestiniert sind auch die Unterhaltungs- und die Automobilindustrie, oder der Immobilienmarkt. Wenn sie initiativ vorgehen, haben diese Branchen jetzt die Chance, Massstäbe für die VR-Zukunft zu setzen.
VR im Journalismus
Im News-Bereich hat Times Inc. mit Life VR ein Pilot-Projekt für den Einsatz von VR im Journalismus lanciert. Die Plattform zeigt interaktive VR-Filme verschiedener journalistischer Titel des eigenen Hauses – unter anderem TIME, Sports Illustrated und InStyle. Um das virtuelle Erlebnis aufs Smartphone zu holen, braucht es jedoch die entsprechende App, ein Headset, sowie genügend Speichervolumen auf dem eigenen Gerät. Wenn das alles vorhanden ist, kann man zum Beispiel UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon auf seiner Reise durch über zehn Länder begleiten, die er im Rahmen einer Aufklärungskampagne für Schutz vor Naturkatastrophen und Waffengewalt besucht hat.
Die Autorin absolviert einen Master in Media Studies an der Universität The New School in New York. Auf ihrem Blog New York Insights by Debbie schreibt sie unter anderem auch über Virtual Reality. Der obige Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft an der ZHAW.